BUNTE BEWEGUNG

von Thomas Vahle Was fangen Menschen mit einer Information an, die keine ist? Ein Schreinermeister hat es ausprobiert, für viel Verwirrung gesorgt – und eine erstaunliche Erfahrung gemacht.Bild Bunte Menschen

Eigentlich ist alles aus einer Bierlaune heraus passiert: Ehlen und ein Freund gingen der Frage nach, was wohl geschieht, wenn man den Menschen in Zeiten der sogenannten „sozialen Medien“ Informationen gibt, mit denen sie nichts anfangen können. „Wann und wie reagieren die Medien, das wollten wir wissen“, sagt der Schreinermeister. Im Sommer des vergangenen Jahres fing er an, überall in der Landschaft die „Bunten Menschen“ aufzustellen – einfache Pappkameraden, etwa 45 Zentimeter hoch und an einer Leiste befestigt. Ein befreundeter Drucker stellt sie aus kaschierter Pappe her.

Ehlen wollte unerkannt bleiben, denn sonst wäre das Experiment gefährdet gewesen. Und so machte er sich nachts auf den Weg und verteilte die „Bunten Menschen“ zunächst im Viersener Stadtgebiet, immer etwa 200 bis 300 Stück, einzeln und in Gruppen. Es dauerte nicht lange und die ersten Spekulationen kochten hoch. Die örtliche Presse wurde aufmerksam. Auf Facebook bildeten sich Gruppen. Wer ist das und was soll das? – diese Fragen stellten sich alle. „Für mich allerdings wurde die Luft dünner, es hätte nicht lange gedauert und ich wäre enttarnt gewesen“, erzählt der 48-Jährige. Er musste seinen Aktionsradius ausweiten, um die heiße Spur rund um Viersen ein wenig abzukühlen.

Bild Bunte Menschen

Pappkameraden für Menschen in Not

Freunde halfen ihm fortan, die „Bunten Menschen“ im weiteren Umkreis zu verteilen. So fanden die ersten Figuren ihren Weg nach Köln auf die Rheinwiesen oder auf die Wanderwege in der Eifel. In Schottland und in Österreich wurden sie gesichtet und sie fuhren sogar als Passagiere auf der Queen Mary mit. Die Männchen begleiteten Stadtfeste, besuchten Rockkonzerte, trugen zu Weihnachten rote Mützen, zu Ostern Eier unter dem Arm und zum Karneval eine Narrenkappe …

„Nach einem Jahr habe ich eine Pressemitteilung geschrieben und die ganze Sache aufgeklärt“, erzählt Ehlen. Doch damit war die Geschichte längst nicht vorbei. Im Gegenteil, sie ging erst richtig los. Alle Menschen wollten plötzlich die Pappkameraden haben und in ihrem Umfeld verteilen. Da lag es nahe, aus den freundlichen Pappmenschen Profit zu schlagen: Aber nicht für die eigene Kasse, sondern für Menschen in Not. Ein Freund von Ehlen gründete die „Bunte Menschen GmbH“. Dort kann jeder die Männchen für 3,50 Euro bestellen – damit wird er zum „Botschafter“ – und für fünf Euro für einen guten Zweck weiterverkaufen. „Die Botschafter erwirtschaften damit einen Gewinn, mit dem schon vielen Menschen geholfen wurde, beispielsweise in Nepal, in Afrika oder auch im Kinderhospiz“, sagt Ehlen.

Das Netz liefert den Sinn. Dafür stehen die Bunten Menschen heute:

„Nach einem Jahr habe ich eine Pressemitteilung geschrieben und die ganze Sache aufgeklärt“, erzählt Ehlen. Doch damit war die Geschichte längst nicht vorbei. Im Gegenteil, sie ging erst richtig los. Alle Menschen wollten plötzlich die Pappkameraden haben und in ihrem Umfeld verteilen. Da lag es nahe, aus den freundlichen Pappmenschen Profit zu schlagen: Aber nicht für die eigene Kasse, sondern für Menschen in Not. Ein Freund von Ehlen gründete die „Bunte Menschen GmbH“. Dort kann jeder die Männchen für 3,50 Euro bestellen – damit wird er zum „Botschafter“ – und für fünf Euro für einen guten Zweck weiterverkaufen. „Die Botschafter erwirtschaften damit einen Gewinn, mit dem schon vielen Menschen geholfen wurde, beispielsweise in Nepal, in Afrika oder auch im Kinderhospiz“, sagt Ehlen.

Bild Bunte Menschen

Die Aktion schlägt hohe Wellen. Inzwischen wird der Schreinermeister in der Öffentlichkeit gern als Pop-Art- oder Street-Art-Künstler gehandelt. „Ich weiß nicht, ob ich das bin. Ich glaube, ich bin kein unkreativer Mensch, aber das geht vielleicht etwas zu weit“, sagt Ehlen bescheiden. Doch wer sein Umfeld genauer betrachtet, der weiß, dass er untertreibt. Seine Kreativität spiegelt sich beispielsweise in seinem Büro wider: Wunderschöne Stühle, eine Anrichte, der Schreibtisch und ein Sofa zeugen vom Einfallsreichtum des Schreiners. Seit 20 Jahren ist er jetzt hier in Viersen selbstständig. Die anfangs kleine Tischlerei – ursprünglich ein Ein-Mann-Betrieb – hat er immer weiter ausgebaut, moderne Maschinen angeschafft und sich auf den Möbelbau spezialisiert. Erst vor zwei Monaten wurde eine neue gebrauchte CNC-Maschine geliefert: „Im Möbelbau ist die CNC heute quasi unverzichtbar“, berichtet der Meister von seinen Erfahrungen.

Vier Kollegen arbeiten in der Werkstatt, einer davon ist Azubi. Früher haben Ehlen und seine Mitarbeiter viele Büros eingerichtet. Das ist allerdings rückläufig. Stattdessen klopfen immer öfter Privatleute an die Tür, die etwas Besonderes haben wollen und sich auf den Einfallsreichtum von Ehlen und seiner Mannschaft verlassen. Eine neue spektakuläre Aktion wie die „Bunten Menschen“ hat Ehlen allerdings gerade nicht im Kopf: „Um Gottes Willen, wir müssen ja auch noch richtig arbeiten“, sagt er nur.

40 000 bunte Menschen

Die bunten Kameraden haben viel Zeit gefressen. Ehlen und seine Freunde haben nach eigenen Aussagen etwa 15 000 „Bunte Menschen“ aufgestellt. Weitere 25 000 sind bereits produziert – und davon ist die Hälfte schon irgendwo auf der Welt unterwegs. Wer eine Figur aufstellt, der sollte ein Foto machen. Der Vollständigkeit halber, denn auf der Homepage www.bunte-menschen.com sind die Standorte auf einer Weltkarte verzeichnet. Ewig halten die Pappkameraden allerdings nicht: „Je nach Standort können sie schon einige Monate durchhalten, aber sie sind eben nur aus Pappe“, sagt Ehlen.

Eigentlich ist es aber auch völlig egal, wie lange die Pappkameraden halten. Wichtig ist, dass sich aus einer Bierlaune heraus eine Aktion entwickelt hat, die Menschen Freude macht und die Menschen in Not hilft. Aus einer anfangs völlig sinnfreien Information hat sich innerhalb eines Jahres eine sehr wichtige Botschaft entwickelt: Vielfalt, Toleranz und Freiheit – dafür stehen die „Männekes“, wie Ehlen sie beiläufig nennt. Die „sozialen Medien“ haben auf die kleine Provokation des Schreinermeisters aus Viersen sehr schnell reagiert und ihr einen Inhalt gegeben.

Quelle: Handwerk.com